Wie ihre Papier-Pendants machen digitale Visitenkarten ein Entree für Neukontakte. Sie können aber noch viel mehr – und man kann mit ihnen viel mehr falsch machen.

Einen nachhaltigen Eindruck hinterlässt man nicht bei jedem Kontakt, auch nicht bei jedem Erstkontakt. Ersatzweise werden unter anderem zu diesem Zweck Visitenkarten genutzt, die heute eigentlich nicht mehr Visitenkarten heißen sollten, weil sie kaum noch irgendwelchem Personal zur Ankündigung eines Besuchs übergeben werden. Stattdessen dienen sie, als Business Cards, dazu, Geschäfts- und andere Kontakte zu fördern, indem sie dem Empfänger nachträglich Details ins Gedächtnis rufen und so sein Gehirn verlängern.

Aber Kontakte knüpft und pflegt man heute längst nicht mehr allein im Analogen, Räumlichen. Es ist kein Problem mehr, Auftraggebern, Partnern, Gefolgsleuten, sogar Kollegen und Freunden teils oder ausschließlich virtuell nahe zu sein. Um sich online zu präsentieren, gibt es eine kaum mehr überblickbare Anzahl von Möglichkeiten. Dass es auch so knapp wie auf einer Visitenkarte geht, ist jedoch relativ neu. Seit kaum mehr als zwei Jahren stehen Dienste wie about.me, flavors.me oder chi.mp zur Verfügung, die allesamt dazu dienen, mit wenig Aufwand einen guten ersten Eindruck zu machen: vom Inhaber per Hyperlink verbreitet und via PC oder Smartphone abgerufen.

MEHR ZUM THEMA
Vernetzt im Schatten des großen Vorbilds
Xing kupfert bei Facebook ab
Gesucht: Jemand wie ich
LinkedIn startet Börsengang
Spuren im Internet

ANZEIGE
Aber braucht man so etwas und, wenn ja, wozu? Es gibt doch Social-Media-Werkzeuge wie das allgegenwärtige Facebook, das für viele Einsatzzwecke sowie alle sozialen Gruppen jeden Alters eine Darstellungs- und Kommunikationsplattform bietet. Sich profiliert darzustellen erlauben auch Linkedin (international) und Xing (überwiegend deutsch), die als Manager- und Freiberufler-Plattformen mit umfänglichen professionellen Portfolios ebenfalls beim Knüpfen von Kontakten behilflich sein wollen.

Die Vielzahl dieser Lösungen trägt jedoch wesentlich zur Verschärfung eines Problems bei, das während der vergangenen gut 15 Jahre akkumuliert ist: Fast jedermann hat im Internet Spuren hinterlassen, die sich nicht mehr tilgen lassen. Es finden sich Kommentarbeiträge, teils unter Klarnamen, in den Online-Auftritten von Zeitschriften, in Foren, in Shops (wie bei Amazon mit den Real Names oder deren Wunschlisten), im Google-Cache oder auf Bewertungsplattformen für Hotels, Restaurants und andere. Seit einigen Jahren stellen Freunde und Nachbarn ungefragt Fotos mit uns auf Facebook ein, die öffentlich zugänglich sind. Das geschieht nichtsahnend, aber andere Zeitgenossen reden uns vielleicht absichtlich übel nach und schädigen so unseren Ruf. Kommunikations-Avantgardisten twittern, was das Zeug hält; und nicht immer ist Anfängern bewusst, dass das Geplauder kaum radierbar ist. Suchmaschinen werden immer besser, und seitdem die Gesichtserkennung technisch funktioniert – von Google, Apple und Facebook nur nicht für jedermann im Web freigeschaltet ist –, wird die Frage immer drängender: Was finden und denken Andere über uns, wenn sie uns googeln, wohlmöglich noch vor dem ersten Kontakt? Den ersten Eindruck aktiv selbst zu prägen kann eine Lösung sein.

ANZEIGE
Trotz des Risikos durch zu viel Verbreitung persönlicher Informationen weisen einige soziale Netzwerke außerdem zwei Schwächen auf: Informationen über sich selbst kann man gezielt nur „Freunden“ (Facebook) oder Kontakten (Xing, Linkedin) zukommen lassen. Ein erster Kontakt muss also schon auf einem anderen Weg stattgefunden haben. Eine weitere Schwäche aller großen sozialen Netzwerke ist, dass es keine oder kaum gestalterische Möglichkeiten gibt, der Aufbau der Seiten ist vorgegeben. Gerade wer auf sich aufmerksam machen will, ist also mit sozialen Netzwerken schlecht bedient, solange er nicht mit anderen kommunizieren möchte.

Dagegen erlauben es digitale Visitenkarten-Services wie about.me, das seit Ende 2010 zu AOL gehört, frei gestaltbare Profilseiten mit einer starken optischen Komponente jedermann zur Kenntnis zu bringen. Fotos, Bildschirmhintergründe und unterschiedliche Schrifttypen sowie Layouts sind schnell nach Geschmack zusammengeklickt. Eine Besonderheit von about.me: In Zusammenarbeit mit der Online-Kartendruckerei Moo.com schlägt der Dienst die Brücke zur analogen Welt und offeriert Papier-Visitenkarten mit Name, E-Mail- und Web-Adresse (about.me/nutzername), Letztere auch als QR-Code („Quick Response“) zum Scannen und Direkt-Ansurfen mit dem Smartphone. Im Web wird das Profil außerdem anhand der mit Stichworten („Tags“) offengelegten Interessen seiner Inhaber oder mit einem Zufallsgenerator gefunden. Und wer sich offensiv vermarkten möchte, bucht kostenpflichtige „Adwords“, das sind Suchworte, unter denen das eigene Profil bei Google gefunden wird.

ANZEIGE
Der erste Eindruck

Diese Services enthalten einige recht praktische Funktionen. Statt nach dem Konferenzbesuch die Papier-Visitenkarten zur Übertragung in die elektronische Kontakteverwaltung abzutippen oder einzuscannen, lädt man zum Beispiel bei businesscard2.com oder chi.mp digitale Visitenkarten seiner Kontakte im Standardformat .vcf herunter und speichert sie mit der gewohnten Adressbuch-Software, sei es Outlook, Google Mail oder Lotus Notes. Oder man legt, zum Beispiel mit dooid.com, unterschiedliche Profile für verschiedene Zielgruppen an – etwa für Kollegen und Kunden: Die einen bekommen die Telefonnummer im Home-Office, die anderen müssen sich gedulden oder eine E-Mail schicken.

Trotz praktischer Funktionen dieser Art ist eine wesentliche Eigenschaft der digitalen Businesscards die Möglichkeit zur Beschränkung auf den ersten Eindruck, auf eine knappe Zusammenfassung dessen, was man von sich selbst gerade für essentiell hält. Doch auch für die Visitenkartendienste gilt: Wer alle Funktionen nutzt, läuft Gefahr, mit diesem Ballast dann doch wieder die Aufmerksamkeitslatte zu reißen. Zum Beispiel erlauben fast alle Dienste ihren Nutzern, sonstige Online-Auftritte einzubinden. Twitter, Facebook, Linkedin, Youtube – teils mehr als 20 Social-Media-Profile lassen sich auflisten. Selbst funktional einfache Dienste, myonepage.com zum Beispiel, führen auf diesem Wege leicht zu einer übervollen digitalen Visitenkarte. chi.mp macht daraus auch gleich eine Tugend und verspricht, in einem „Lifestream“ die Spuren des gesamten aktuellen digitalen Lebens abzubilden, also von Facebook über Twitter, Linkedin und Youtube alle Inhalte einer Person auf einer Seite zu präsentieren. Wem das immer noch nicht reicht, dem steht zusätzlich eine Miniblog-Funktion zur Verfügung.

Der eigene Kontaktkreis

Einerseits ist diese Integrationsdichte logisch, denn wenn man seine Social-Media-Aktivitäten wie Blogs und Miniblogs als relevante Bestandteile der digitalen Adresse begreift, gehören sie auf die digitale Business Card. Dadurch wird aber auch die Selbstdarstellung komplexer und verwirrender. Freilich muss man wohl einräumen: dies ist ein Problem weniger, sehr web-affiner und aktiver Nutzer. Alle anderen können den pragmatischen Weg gehen, zu probieren, was für sie funktioniert, denn die Dienste sind schnell ausprobiert und die Daten bei Nichtgefallen schnell wieder gelöscht.

Zumindest die Gratisdienste rechnen sich für die Betreiber auch dann, wenn sie Informationen über die Nutzer und ihre Gewohnheiten daraus ziehen und in irgendeiner Form verwerten können – meist, indem gezielt Werbung eingesteuert wird. So verwundert es nicht, dass Google zu den Ersten gehörte, die einen Profildienst anboten. Mit Google Profile lassen sich Google-Nutzerkonten um ein persönliches Kurzprofil erweitern, das Fotos, eine Art Vita und Links zu Diensten enthält. Automatisch integriert ist der Community-Fotoservice Picasa Web. Seit März 2011 lassen sich nur noch öffentliche Profile anlegen, die also auch außerhalb des eigenen Kontaktkreises lesbar sind.

Zufriedenstellender Gesamteindruck

Dem Datensammel-Interesse von Google, Facebook & Co. entgeht man also nie ganz, auch nicht mit den schnellen digitalen Visitenkarten. Zumindest versuchen könnte man es jedoch mit einer ganz eigenen Website. Baukästen wie die von jimdo.de oder 1und1.de, womit solche Seiten vergleichsweise einfach erstellt werden können, sollte man darum in die Überlegungen zum ersten Online-Eindruck mit einbeziehen. Zwar lassen sich hier die Farb- und Schriftvorgaben nicht ganz so einfach zu einem Profil mit zufriedenstellendem Gesamteindruck zusammenklicken, und auch die Einbindung von Twitter, Facebook und anderen Diensten ist nicht derart Web-2.0-haft simpel wie mit den digitalen Visitenkarten. Aber für die Gestaltung eigener Websites gibt es keinerlei Vorgaben, und auch, auf welchem Host-Rechner sie laufen, entscheidet ihr Inhaber ganz allein, so dass fremder Datensammelwut hier die höchsten denkbaren Grenzen gesetzt sind. Der Dienst Jimdo etwa bietet neben einem kostenlosen Schmalhans-Paket einen Dienst für wenige Euro im Monat, der garantiert werbefrei ist und Domains, Mailadressen, Hosting und noch ein paar Schmankerln mehr enthält.

Wer noch unabhängiger von Anbietern sein will, lässt sich alternativ eine sehr schlanke Website von einem Profi-Designer seiner Wahl entwickeln. Eine Homepage mit einem großen Foto, ein bisschen ausgesuchter Typographie und mehr Weißraum als Buchstaben ist nicht nur technisch simpel, sondern auch ansprechend und für wenig Geld zu haben. Nur finden muss man den Designer, aber dafür gibt es ja Online-Visitenkarten und Online-Verzeichnisse.